Freitag, 19. Dezember 2008

Tokio Hotel für Deutschland

Der NDR will zum Grand Prix „international erfolgreiche Künstler“ als Direkt-Kandidaten schicken. Da bleibt als Deutschlands Vertreter nur die Band aus Magdeburg: Tokio Hotel. Auch Ralph Siegel bewirbt sichEine Blamage war der Eurovision Song Contest für die deutschen Teilnehmer in diesem Jahr – in Belgrad landeten die No Angels, von den Zuschauern im nationalen Vorentscheid nominiert, auf dem letzten Platz. Im kommenden Jahr gehen die Grand-Prix-Macher auf Nummer Sicher: Nicht mehr die Zuschauer werden den Teilnehmer bestimmen, sondern eine Jury. „Für 2009 nehmen wir uns ganz bewusst eine Auszeit vom bislang üblichen Verfahren des deutschen Vorentscheids“, sagt der ARD-Koordinator für Unterhaltung, Thomas Schreiber. Die Namen der Jurymitglieder will der NDR erst nach der Entscheidung veröffentlichen, „um mögliche Einflussnahmen von außen zu verhindern“, sagt eine Sprecherin der AZ.Professionelle Sänger, Autoren und Komponisten können beim NDR bis zum 22. Januar Musiktitel einreichen. „Wir erhoffen uns eine höhere Teilnahmebereitschaft von international erfolgreichen Künstlern, da wir ihnen den direkten Weg ins Finale in Aussicht stellen“, sagt Schreiber. „Da hat der NDR doch bestimmt schon jemanden im Auge“, glaubt Schauspieler und Grand-Prix-Experte Georg Uecker („Lindenstraße“). „Gesucht wird eine internationale Band. Silbermond, Juli und Xavier Naidoo aber verkaufen keine Alben in Portugal.“ Deutlicher will Uecker nicht werden. Braucht er auch nicht, denn bei diesem Anspruch bleibt nur eine Band übrig: Tokio Hotel. Bei den MTV Europe Music Awards wurden die vier Magdeburger Anfang November gar als beste Live-Band ausgezeichnet.
Ralph Siegel hält von dem Gerücht wenig. „Es geht nicht um den Bekanntheitsgrad“, sagt er der AZ. „Nicole und Abba kannte man auch nicht, bevor sie den Contest gewonnen haben.“ Siegel will sich selbst um die Final-Teilnahme bewerben: „In Moskau dabei zu sein, wäre mein Traum. Es wäre definitiv das letzte Mal.“
Als Fan findet es Uecker zwar „schade, dass es nun eine Grand-Prix-Sendung weniger geben wird“, doch nur ohne Vorentscheid könnten bestimmte Künstler zur Teilnahme bewegt werden – „ohne die Gefahr einer öffentlichen Demütigung, weil man gegen einen Unbekannten verlieren könnte“, sagt Uecker. Oder gegen einen der Spaßfraktion à la Stefan Raab und Guildo Horn. Insofern sei die Entscheidung des NDR durchaus richtig, meint Uecker.
Sängerin Nicole, Grand-Prix-Siegerin von 1982, sieht das anders: „Es ist eine Entmündigung des Zuschauers, der GEZ-Gebühren zahlt“, sagte sie der AZ. „Ich finde, das Publikum hat ein Recht darauf, mitzuentscheiden, wer zum Grand-Prix-Finale am 16. Mai nach Moskau fährt. Zumal eine Jury nicht immer den Publikumsgeschmack trifft.“ Und die Vorfreude bei den Fans sei auch größer, könnten die selbst wählen, sagt Nicole.
ARD-Mann Schreiber betont, das diesjährige Verfahren mit einem Direktkandidaten sei eine Ausnahme und werde keinesfalls die Standardlösung werden. Eine Neuerung allerdings bleibt: Beim Finale entscheiden die TV-Zuschauer nicht mehr alleine, nationale Jurys haben einen Einfluss von 50 Prozent.
Angelika Kahl
Source http://www.abendzeitung.de/panorama/74193

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